Die Einführung einer europäischen Digitalsteuer wird aus deutscher Sicht kontrovers diskutiert. Es gibt gewichtige Pro- und Contra-Argumente, die es aus Sicht des BDOA zu beachten gibt. Letztendlich sollten sich die Kriterien unseres Erachtens nach neben dem abstrakten Ziel einer allgemeinen Steuergerechtigkeit vor allem am realen volkswirtschaftlichen Nutzen, möglichen Kollateralschäden und der durch klare Transparenz gewonnen Akzeptanz ausrichten. Dabei schlagen wir eine aus unserer Sicht ebenso einfache wie wirksame Lösung mit einer „Gesellschaftspflicht ab Schwellenwert“ statt einer neuen Digitalsteuer vor.
PRO:
- Eine Digitalsteuer würde neue, erhebliche Einnahmen für den Staat generieren. Schätzungen gehen von bis zu 5 Milliarden Euro jährlich für die EU aus, die in die Förderung digitaler Projekte investiert werden können.
- Durch die Steuer auf digital erzielte Umsätze würden Steueroasen und finanzielle Schlupflöcher wirksam eingeschränkt. Dies erhöht die Steuergerechtigkeit, da große Digitalkonzerne oft Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagern und so minimale Steuern zahlen.
- Die Steuer setzt gezielt bei großen, international tätigen Konzernen mit einem Mindestjahresumsatz von 750 Millionen Euro an. Dadurch werden insbesondere marktbeherrschende Unternehmen zur Verantwortung gezogen – und nicht deutsche Mittelständler.
- Eine digital gerechte Steuer führt zu mehr Wettbewerbsgleichheit, da internationale Digitalkonzerne aktuell steuerliche Vorteile gegenüber europäischen und deutschen Unternehmen genießen.
- Die Digitalsteuer kann als politisches Instrument gegenüber den USA genutzt werden, etwa als Antwort auf US-Zölle auf europäische Waren. Sie stärkt damit die Handlungsmacht Europas im internationalen Steuerwettbewerb.
- Einheitliche Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle schafft mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit, was für die Digitalisierung und den Wandel der Wirtschaft in Deutschland wichtig ist.
CONTRA:
- Es besteht die Gefahr, dass die Digitalsteuer als Importzoll interpretiert wird, insbesondere von den USA. Das könnte zu Handelskonflikten führen, die für Deutschlands exportorientierte Wirtschaft und Fiskus teurer wären als die zusätzlichen Einnahmen durch die Steuer.
- Viele internationale Digitalkonzerne könnten die steuerliche Belastung durch Preissteigerungen auf die Konsumenten abwälzen. Das bedeutet, dass am Ende nicht die Unternehmen, sondern die Endnutzer die Steuer zahlen.
- Die Steuer trifft vor allem große, digitale Plattformen. Unternehmen, die zwar digitale Dienstleistungen anbieten, aber nicht zu den großen Plattformen gehören, könnten weiterhin von Schlupflöchern profitieren und ungerecht bevorzugt werden.
- Deutsche Unternehmen, die im Rahmen ihrer Digitalisierung neue Geschäftsmodelle aufbauen, könnten durch die Digitalsteuer ausgebremst werden. Dies betreffe insbesondere Branchen mit niedrigen Gewinnmargen; hier könnte eine unverhältnismäßig hohe Gesamtbelastung entstehen, da oft keine ausreichende steuerliche Anrechnung erfolgt.
- Eine mangelnde internationale Abstimmung der Digitalsteuer birgt das Risiko der Doppelbesteuerung und erschwert die wirtschaftliche Planung für deutsche Unternehmen, die international tätig sind.
- Die Unterscheidung zwischen digitalen und nicht-digitalen Geschäftsmodellen ist oft schwierig, weshalb die Abgrenzung der Steuerbereiche komplex und potenziell ungerecht ist.
FAZIT aus Sicht des BDOA:
Die Einführung einer Digitalsteuer in Deutschland birgt aktuell erhebliche Risiken praktischer Kollateralschäden, die vor allem im Bereich der digitalen Wirtschaft und für innovative Geschäftsmodelle gravierend sind. Ein alternativer Ansatz könnte darin bestehen, bestimmte Unternehmen zu verpflichten, eine deutsche Gesellschaft zu gründen, die Umsätze nach nachvollziehbaren Kriterien bilanziert und besteuert.
Die Digitalsteuer könnte die digitale Transformation ausbremsen. Gerade deutsche und europäische Unternehmen wären besonders betroffen, da sie neue Digital- und KI-Modelle im Wettbewerb zu internationalen Konzernen aufzubauen versuchen und damit zusätzlicher steuerlicher Belastung ausgesetzt wären.
In der praktischen Umsetzung steigen für Onlinehändler und Plattformbetreiber die administrativen und buchhalterischen Kosten dramatisch. Vor allem, weil Plattformen wie Amazon Digitalsteuern an Händler weiterreichen, was Margen reduziert und neue Herausforderungen bei der korrekten Zuordnung und Buchhaltung der Gebühren verursacht.
Die Steuer wird oft an die Endkonsumenten weitergegeben, was zu höheren Preisen für digitale Dienstleistungen und Waren führt und damit das Innovationsklima und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen weiter schwächen kann.
Ohne klare internationale Abstimmung droht Doppelbesteuerung und Rechtsunsicherheit, da unterschiedliche Länder verschiedene Vorschriften und Schwellenwerte anwenden. Das betrifft vor allem global agierende digitale Unternehmen, deren Umsätze schwer zuzuordnen sind.
Bei der Besteuerung personenbezogener Daten als Umsatzbestandteil ergibt sich das praktische Problem der objektiven Wertermittlung dieser Daten. Die Bilanzierung, Bewertung und Besteuerung personenbezogener Daten und digitaler Vertriebsaktivitäten ist in der Praxis komplex und juristisch noch weitgehend ungeklärt.
Alternativer Ausweg: Gesellschaftspflicht ab Schwellenwert
Die zentralen Kollateralschäden ließen sich vermeiden, wenn ein Gesetz eingeführt würde, das ab einer bestimmten Anzahl von Nutzerzugriffen – z.B. ab mehreren Hunderttausend oder Millionen deutschen Usern – Unternehmen verpflichtet, eine deutsche Gesellschaft (z.B. GmbH oder AG) zu betreiben.
Eine solche Gesellschaft müsste die in Deutschland gewonnenen Umsätze transparent und nach klaren Kriterien bilanzieren und versteuern, etwa durch eine mittlere Gewichtung aus a) Werbeumsätzen, b) der Wertaktivierung zusätzlich gewonnener personenbezogener Daten und c) der Wertaktivierung eigener digitaler Vertriebsaktivitäten.
Damit wären die Umsätze deutscher Nutzer nur noch über inländische Einheiten steuerpflichtig und würden wie bei deutschen Unternehmen regulär der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer (insgesamt rund 30% auf Gewinne) unterliegen.
Dieses Modell schafft Rechtssicherheit, vermeidet Doppelbesteuerung und ermöglicht eine transparente, nachvollziehbare Besteuerung auf Basis tatsächlich erwirtschafteter Werte innerhalb des deutschen Rechtsrahmens.
Die Schwellenwert-Regulierung könnte kleinere Start-ups explizit zumindest temporär ausschließen und träfe große Plattformen und Unternehmen mit relevanter Marktdurchdringung.
Gerne erarbeiten wir ein solches Konzept zusammen mit Fachvertreter/inn/en der vbw aus steuerlicher und rechtlicher Perspektive.
Rückfragen gerne an: vorstand@bdoa.de